Peter Dörling, Norderstedt
22. Jan. 2007

ENGLISH VERSION
Genealogische Beschreibung der Bevölkerung von Stormarn

Wie bekommt man die gewünschten Informationen und wie verarbeitet man sie ?

1) Nutzung verschiedener Quellen :
Viele Heimatforscher und Familienforscher haben sich in den letzten 100 Jahren bemüht, die ehemalige Bevölkerung eines Ortes oder eines Kirchspiels zu erfassen und zu beschreiben.
Ihre Arbeiten finden sich in zahlreichen Ortschroniken und Genealogien. Es sind allerdings Fälle bekannt, daß es nicht zur Veröffentlichung der Arbeit gekommen ist, sondern das Manuskript nur als Unikat vorliegt. Schade um die Mühe, vor allem dann, wenn zur Erforschung mitunter ganze Kirchenbücher abgeschrieben wurden.

Heimatforscher studieren normalerweise aber nicht die Kirchenbücher, sondern statt dessen lieber die Akten der ehemaligen Ämter, Güter und anderer Verwaltungen. Im Landesarchiv in Schleswig-Gottorf liegen Listen mit den Steuereinnahmen, mit Strafgeldern (sogenannte Brüche), Akten mit Testamenten, Erd- und Grundbücher und die Schuldprotokolle. In den letzteren wurde von Seiten des Amtes protokolliert, wer einen Schuldschein ausgestellt hat, aber auch, wer sein Haus verkauft oder vererbt hat usw.usw.
Die Heimatforscher stellen dann fest, wieviele Höfe es in einer Ortschaft gegeben hat und wer in den vergangenen Jahrhunderten jeweils Besitzer dieser Höfe war. Als Ergebnis ihrer Arbeit wird dann meistens eine Ortschronik veröffentlicht.

Es gibt noch eine dritte Gruppe, die die ehemalige Bevölkerung erfaßt, diese Gruppe bearbeitet alte Volkszählungen. In diesen Volkszählungen spiegelt sich die Zusammensetzung von Haushalten wieder, da wohnen in einem Haushalt oft nicht nur die Eltern mit ihren Kindern, wie wir es heute kennen, sondern auch noch die Großeltern und weitere Personen. Ein Beispiel : die älteste Tochter hat geheiratet und ihr Mann und ihre Kinder wohnen ebenfalls in diesem Haushalt. Hat der Hausvater eine Werkstatt, leben im Haushalt oft noch Gesellen und Lehrlinge. Ist es ein Bauernhof, dann gehören Knechte, Mägde und Dienstboten dazu.
Zu jeder Person gibt es eine Altersangabe, damit ist es im Normalfall möglich, diese Personenangaben mit den Kirchenbüchern zu synchronisieren.

Mein Ziel ist es, diese zahlreichen Einzelarbeiten zusammenzufassen, zu ergänzen und gemeinsam auszuwerten.

Weitere hilfreiche Quellen sind Bürgerbücher und Adressbücher von Städten und Auflistungen der Bevölkerung, die hin und wieder aufgestellt wurden, z. B. 1744 zur Feststellung der Leibeigenschaft.

Besonders interessant wird es dann, wenn zu einem Ort Unterlagen von allen drei Quellen vorliegen : Kirchenbuchabschriften, Aktenabschriften und Volkszählungen.
Es hat sich gezeigt, daß kaum eine der Quellen sämtliche gewünschten Angaben liefert. In den Kirchenbüchern fehlt bei den Taufen manchmal der Wohnort, bei den Trauungen fehlt oft die Angabe, ob sie bei ihm oder bei ihr wohnen werden, bei der Beerdigung fehlt manchmal das Alter.
Bei den Aktenabschriften fehlt die Angabe, wann das Paar geheiratet hat und wann die Kinder geboren wurden. Bei der Volkszählung ist z.B. bei Witwen der verstorbene Ehepartner nicht erwähnt und die Kinder sind nur dann aufgezählt, wenn sie noch zu Hause wohnen.
Erst durch das Zusammenspiel möglichst vieler Quellen werden die Personenangaben und die Familien vollständig.


2) Geographische und zeitliche Einteilung :
Die Bevölkerung eines ganzen Kreises über mehrere Jahrhunderte hinweg bedeutet natürlich eine Unmenge an Daten. Damit diese Daten überschaubar bleiben, müssen sie sinnvoll unterteilt werden.
Der Kreis Stormarn besteht verwaltungsmäßig aus 55 großen und kleinen Ortschaften bzw. Städten, die in den Ämtern Reinbek, Traventhal, Tremsbüttel, Trittau und Reinfeld lagen. Aus der Sicht der Kirche bestand Stormarn aus 13 Kirchspielen. Die geographische Unterteilung wird sich an den Ämtern und Kirchspielen orientieren, das ist noch nicht ganz festgelegt.

Der Zuwachs der Bevölkerung war im 19. Jahrhundert deutlich höher als früher, darum wurde auch eine zeitliche Unterteilung erforderlich. Zur Zeit sind die Personendaten von 1500-1800 in die 1. Gruppe und die Daten von 1800-1900 in die 2. Gruppe unterteilt.


3) Aufbau einer Reihenfolge / Standardnamen :
Unter Genealogen gibt es etliche, die sogenannte Ortsfamilienbücher schreiben. Jeder muß sich darüber Gedanken machen, wie er "eine Familie" definiert und es haben sich verschiedene Ideen dazu entwickelt.
Da der Nachname des Familienvaters im Gegensatz zu seinen Ehefrauen früher unverändert blieb,
eignet er sich gut als oberster Sortierbegriff. Alle Autoren gehen also von einer alphabetischen Reihenfolge der Nachnamen der Familienväter aus, aber dann beginnen die Unterschiede.
Soll man sich innerhalb gleicher Nachnamen nach dem Jahr der Geburt oder dem Jahr der Trauung orientieren ? Was ist, wenn der Familienvater mehrmals verheiratet war ?
Oder sollte man sich als zweiten Sortierbegriff besser an den Vornamen halten ?

Für jede dieser Sortiermethoden gibt es Argumente und Gegenargumente, aber damit möchte ich niemanden langweilen. Man muß sich einfach für eine Methode entschließen und diese dann konsequent einhalten.
Meine Daten sind innerhalb eines Nachnamens nach dem genauen oder geschätzten Geburtsdatum des Familienvaters sortiert. Hat er mehrmals geheiratet, werden die Ehefrauen hintereinander aufgezählt. Auch mit 3 Ehefrauen und den Kindern aus 3 Ehen bleibt bei mir alles "eine Familie".

Probleme gibt es mit unterschiedlichen Schreibweisen desselben Nachnamens, z. B. Bassow, Bassau, Baßaw und Passau. Um diese Namen im Computer zu verarbeiten, wurde willkürlich ein Standardname festgelegt, der zusätzlich zum Original-Namen in einer eigenen Spalte untergebracht ist. Mit dieser Methode ist sichergestellt, daß alle Angehörigen eines Familienverbandes in der Liste
chronologisch korrekt hintereinander aufgezählt werden : Urgroßvater, Großvater, Vater und Sohn.
Alle Familien bekommen eine Kennziffer und mit Hilfe dieser Kennziffer läßt sich die Genealogie problemlos verfolgen : vom Sohn zum Vater und von dort zum Großvater und auch andersherum.


4) Innerer Aufbau der Daten zu einer Familie :
Ehemann : Nachname, Vornamen, Geburtsdatum (ersatzweise Taufdatum), Datum der Trauung (ersatzweise Datum der Verlobung), Sterbedatum (ersatzweise Datum der Beerdigung).
Wohnort , Beruf oder Stand, möglichst in Verbindung mit einer Jahreszahl.
Bei mehreren Wohnorten oder mehreren Berufen, Aufzählung in chronologischer Reihenfolge.
Angaben zur Herkunft bzw. zu den Eltern (meistens reicht die Familiennummer der Eltern aus),
Angaben von der Beerdigung : Alter, Anzahl der hinterlassenen Kinder usw.

Ehefrau : Nachname, Vornamen, Geburtsdatum (ersatzweise Taufdatum), Datum der Trauung (ersatzweise Datum der Verlobung), Sterbedatum (ersatzweise Datum der Beerdigung).
Hinweise auf vorige Ehen und/oder spätere Ehen,
evtl. Angabe eines Berufes (Hebamme, Köchin, Gesellschafterin)
Angaben zur Herkunft bzw. zu den Eltern (meistens reicht die Familiennummer der Eltern aus),
Angaben von der Beerdigung : Alter, Anzahl der hinterlassenen Kinder usw.

Kinder : Nummer in der tatsächlichen oder vermuteten Reihenfolge, evtl. Angaben aus welcher Ehe, evtl. ob Zwillingsgeburt, Vornamen,
Geburtsdatum (ersatzweise Taufdatum), Datum der Trauung (ersatzweise Datum der Verlobung), Sterbedatum (ersatzweise Datum der Beerdigung).
Hinweis auf die neue Familiennummer, falls das Kind geheiratet hat.
Angaben über den Ehepartner, falls der spätere Wohnort außerhalb von Stormarn war.
Bei unehelichen Kindern Angaben über den Vater.
In besonderen Fällen Angaben über die Taufpaten.

Danach Quellenhinweise und Hinweise auf Familienforscher, die an dieser Familie besonders interessiert sind.


5) Umwandlung der Daten verschiedener Quellen :
Daten aus Ortschroniken sind nicht alphabetisch, sondern nach den Höfen sortiert. Es muß eine ganz neue Datenfolge aufgebaut werden : Name , Ort, Hof, Datum, Bemerkungen.
Das Alter des Hofbesitzers ist stets unbekannt, aber die Hofübergabe erfolgte in den meisten Fällen bei der Heirat. In diesem Fall kann als Alter etwa 25-30 Jahre angesetzt werden, das Geburtsjahr wird dann ein auf 5 oder 0 gerundeter Wert.
Beispiel 1 : die Hofübergabe erfolgte 1623, ergibt geschätztes Geburtsjahr 1595 (Alter 28 Jahre).
Beispiel 2 : ist als Besitzer des Hofes die Witwe genannt, ist damit der Nachweis erbracht, daß der Besitzer a) verheiratet war und b) vor diesem Datum verstorben ist.
Hier setzt man eine Ehefrau (noch ohne Namen) ein und grenzt das Sterbedatum ein (z.B. gestorben vor 1710).
Beispiel 3 : folgt nach der Witwe der Name eines Fremden und danach wieder der eigene Familienname, kann man davon ausgehen, daß die Witwe eine 2. Ehe geschlossen hat (der Fremde ist dann ein Setzwirt) und bei der Heirat des Sohnes der Hof wieder in "Familienbesitz" kam.
Wenn wir hier das Alter des Sohnes wieder auf 25-30 Jahre ansetzen, können wir auch grob abschätzen, wie alt seine Mutter bei seiner Geburt war (25-45 Jahre, im Mittel also 35 Jahre) und damit, wann sie selbst etwa geboren ist. Entsprechend schätzen wir das Geburtsjahr seines Vaters.

Auf diese zugegebenermaßen recht ungenaue Methode bekommt man aber doch eine Vorstellung der damaligen Familienverhältnisse. Oftmals kommen noch weitere Daten aus anderen Quellen hinzu, sodaß die Schätzungen noch verfeinert werden können.
In den Hofübergabeprotokollen geht oft auch hervor, ob ein Schwiegersohn oder ein Stiefsohn den Hof übernommen hat oder ob der Hof verkauft wurde. In den ersten Fällen hätten wir dann Hinweise auf eine Tochter bzw. auf eine vorige Ehe der Mutter.
Mit etwas Glück bestätigen sich diese Angaben aus den Kirchenbüchern. Das ist besonders interessant in dem Zeitraum, wo die Kirchenbücher erst beginnen, z. B. wenn Personen beerdigt werden, deren Taufe und Trauung vor Beginn der Kirchenbücher liegt.

Daten aus Volkszählungen enthalten nur das Alter. Dies wird zunächst in ein Geburtsjahr umgerechnet, wobei man eine Ungenauigkeit von 1-3 Jahren in Kauf nehmen muß. Wenn das Ehepaar noch kleine Kinder hat, kann man daraus das Datum der Trauung abschätzen. Wenn die Kinder aber schon älter sind, wohnen die ältesten vielleicht schon außer Haus und nur die jüngsten Kinder sind in der Volkszählung erfaßt.
Der komplette Haushalt mit allen Mitbewohnern muß unter einen gemeinsamen Namen gestellt werden (Name des Familienvaters), damit die Haushaltungen in eine alphabetische Reihenfolge gebracht werden können. Innerhalb dieser Reihenfolge ist nun das Alter bzw. das Geburtsjahr des Familienvaters maßgebend. Erst danach kann ein Abgleich mit anderen Quellen erfolgen.

Wenn im Haushalt noch Großeltern leben, wird für diese eine eigene Familie angelegt, mit Hinweis darauf, daß sie zur Zeit der VZ beim Sohn bzw. bei der Tochter gewohnt haben. Ebenso, wenn verheiratete Kinder mit ihrem Ehepartner noch bei den Eltern leben, wird auch für diese eine eigene Familie angelegt. Ist ein Partner verwitwet, so wird der fehlende Ehepartner ergänzt, auch wenn der Name im Moment noch unbekannt ist. Ebenso grenzt man das Sterbedatum ein (gestorben vor 1835).
Es wird manchen Leser bzw. Zuhörer vielleicht irritieren, daß hier viel mit geschätzten Daten gearbeitet wird. Normalerweise brauchen Genealogen genaue und verläßliche Angaben.
Trotzdem sind auch geschätzte Daten nützlich. Zunächst geben sie Genealogen und Heimatforschern einen Hinweis, wo und in welchem Zeitraum sich die eigene Suche in Kirchenbüchern bzw. Akten noch lohnen könnte, zum anderen können vom Autor nicht alle Quellen gleichzeitig ausgewertet werden und bei Sichtung der Daten aus einer weiteren Quelle kann man oft die geschätzten Daten verfeinern oder durch genaue Daten ersetzen. So eine zusätzliche Quelle findet sich vielleicht erst zwei Jahre später, bis dahin bleiben die geschätzten Daten als Suchhinweis in der Datei stehen.


6) Der Nutzen dieser Datensammlung :
Spätestens nach Erfassung der vorliegenden Quellen werden alle Daten ausgedruckt und den genealogischen und kirchlichen Archiven zur Verfügung gestellt. Zwischendurch können die Daten jederzeit auf CD gebrannt werden. Dadurch sind die Abschriften, die mühsam in jahrzehntelanger Arbeit gemacht wurden, keine Unikate mehr sondern jede/jeder Interessierte kann sie einsehen und benutzen.

Für sozialgeschichtliche Forschungen bieten sich Themen an wie z.B. :
A) Die Ausbreitung von bäuerlichen Familiennamen (Häufungen und Wanderungen)
B) Die Bildung und Nichtbildung von Städten (Wandsbek, Bargteheide und Eichede im Vergleich)

Statistiken über Namenshäufungen in bestimmten Orten, über die Anzahl und Herkunft von Handwerkern, über die Größe von Ortschaften usw. werden möglich sein.

Zusätzlich bietet das Material eine Suchhilfe für Familienforscher, die nicht wissen, zu welchem Kirchspiel ihre Vorfahren gehörten und stundenlanges vergebliches Suchen in den falschen Kirchenbüchern kann dadurch vermieden werden. Auch wenn die Herkunft der fraglichen Personen in den Akten und Volkszählungen oft nur angedeutet wird, ist das immer ein wertvoller Hinweis darauf, wo man die Familienforschung fortsetzen kann.
Auch die Kenntnis nur geschätzter Jahreszahlen hilft bereits, die Suche auf einen bestimmten Zeitraum einzuschränken. Weiterhin ist es auch wichtig zu wissen, wieviele Personen desselben Namens es zu einer bestimmten Zeit gab, damit man sie nicht verwechselt.
Man mag es fast nicht glauben, aber im Protokoll von 1744 zur Feststellung der Leibeigenschaft tauchen im gleichen Ort 4 Personen mit dem genau gleichen Namen auf, nur das Alter und der Name der Ehefrau ermöglichen eine Unterscheidung. Ohne diese im Jahre 1744 mündlich vorgetragenen Angaben würden wir heute vermutlich kopfschüttelnd und voller Zweifel vor einem Chaos an Daten sitzen.

Bis zu dem gesteckten Ziel ist es noch ein weiter Weg; ihn zu gehen wird noch ein paar Jahre dauern. Aber die ersten Schritte sind gemacht, wir sind zur Zeit mit 10 Personen unterwegs, um dieses Ziel zu erreichen.

Vielen Dank für Ihr Interesse.
Das Stormarn-Team


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