Amtsakten ergänzen Kirchenbücher
oder : die Freude an der Zuchthaus - Gebühr

Von Peter Dörling


Wenn jemand die Genealogie als Hobby entdeckt, beginnt er/sie normalerweise damit, die eigene Familie zu erforschen. Die nächstliegenden Informationsquellen sind meistens die Kirchenbücher (KB). Dann sind "Zuchthaus-Gebühren" noch kein Thema.

Bei der Durchforstung der Taufen, der Trauungen und der Beerdigungen wird man feststellen müssen, daß die Eintragungen in den Kirchenbüchern oft unvollständige Angaben enthalten (ich spreche hier von den KB in Schleswig-Holstein vor 1772).
a) Wenn bei einer Taufe der Name der Mutter nicht erwähnt wird, was bei den allerersten KB der Regelfall ist, wird sich der Name nur in Ausnahmefällen in anderen Unterlagen finden lassen.
b) Es kommt vor, daß der Wohnsitz der Familie nicht erwähnt wird und/oder der Status bzw. Beruf des Familienvaters, was besonders unangenehm ist, wenn es mehrere Familienväter gleichen Namens in verschiedenen Orten des Kirchspiels gab.
c) Es kommt auch vor, daß bei einem Wechsel im Pastorat durch Tod oder Versetzung eine Lücke in den Eintragungen entsteht, die ein halbes Jahr, gelegentlich mehrere Jahre umfaßt. Ebenso entstehen Lücken in den KB durch Brand oder andere Ursachen. So ist z.B. bei den KB von Bargteheide eine empfindliche Lücke von 12 Jahren, für die weder Taufen, Trauungen noch Beerdigungen aufgezeichnet sind.

Bei den Fällen b) und c) helfen uns die Amtsakten weiter, manchmal sogar überraschend gut. Abgesehen von regionalen Archiven (z.B. Staatsarchiv Hamburg, Archiv für Stormarn in Bad Oldesloe, Kreisarchiv Hztm. Lauenburg in Ratzeburg) ist vor allem das Schleswig- Holsteinische Landesarchiv in Schleswig-Gottorf eine reiche Fundgrube.
Adresse : 24837 Schleswig, Gottorfstr. 6, Prinzenpalais, Tel. 04621/861800
Die Akten sind dort nach "Abteilungen" geordnet, das heißt, jede Einbringung von Akten einer Quelle (z.B. einem ehemaligen Archiv) bildet eine eigene Abteilung, der Fund wird nicht etwa zerteilt nach regionalen oder geschichtlichen Gesichtspunkten. Man findet unter Umständen die Akten zu einer Region in verschiedenen Abteilungen.

Amtsgröße und Amtsrechnung

Während in den Kirchenbüchern der Bereich des Kirchspiels aus z.B. 6 Dörfern besteht, kann es sein, daß die Verwaltung, "das Amt", auch andere Dörfer umfaßt. Es kann auch sein, daß die Dörfer eines Kirchspiels von verschiedenen Ämtern verwaltet wurden, denn die Amtsgrenzen und die Kirchspielgrenzen verliefen unterschiedlich.
Man muß sich also orientieren, welches Amt und welche Abteilungen zutreffen und leiht sich dann die betreffenden "Amtsrechnungen" zur Einsicht aus.
Dabei hilft diese Liste.

Ähnlich ist es mit den Gütern. Im Archiv werden auch viele Gutsakten aufbewahrt, aber man muß herausbekommen, welches Gut zu welchem Gutsbezirk gehört, ehe man die Akten zur Einsicht bestellen kann.

Die Amtsrechnungen enthalten die Einnahmen und Ausgaben des Amtes für 1 Jahr, wir interessieren uns dabei vor allem für die Einnahmen der "Heur" , also des Pachtzins, der oft am Michaelistag erhoben wird. Interessant sind auch : Türkenschatz, Kopfsteuer und Verbittelsgeld. Die alten Begriffe -schatz und -schoß deuten stets auf eine Abgabe (Steuer) hin.

Die Aufstellungen dieser Einnahmen sind nach Dörfern sortiert, innerhalb der Dörfer nach Hufnern , Halbhufnern (auch : "Großkäthner"), Viertelhufnern (auch : "Kleinkäthner"), Bödnern oder Anbauern. Die Bezeichnungen wechseln gelegentlich.
Das Verbittelsgeld war ein Schutzgeld, daß die Tagelöhner und Insten (Unselbstständige, Mieter) zu zahlen hatten.
Einnahmelisten von Korn, Gänsen, Schweinen enthalten meistens nur die Gesamtmenge pro Dorf und nützen uns dann nichts. Einnahmelisten von Zollgeld enthalten auch Fremde, was sehr irritieren kann.
Aus den Einnahmelisten erfahren wir, wer das Geld bezahlt hat, das ist normalerweise der Mann (Familienvater), gelegentlich eine Witwe. Die Reihenfolge der Namen bleibt nach meinen Beobachtungen etwa ab 1650 einigermaßen konstant. Wenn man also mehrere Amtsrechnungen abgeschrieben hat, läßt sich mit einer guten Wahrscheinlichkeit daraus eine Abfolge der Hofbesitzer ableiten. Für eine grobe Übersicht empfehle ich ein Raster im Abstand von 10 - 15 Jahren. Danach sucht man sich gezielt die interessanten Jahrgänge heraus.
Der Betrag, der gezahlt wurde, läßt wenig Rückschlüsse zu, da oft zusätzliches brachliegendes ("wüstes") Land dazugepachtet wurde, in jährlich unterschiedlicher Größe, je nach Bedarf.

Die Ausgaben der Ämter beziehen sich auf die Verwaltung, auf Löhne und Gehälter, Instandsetzungen der Gebäude usw., und sind teils mit Quittungen belegt. Gelegentlich enthalten die Ausgaben auch "Armengelder", also Unterstützung für verarmte Personen, die namentlich genannt werden.

Die Amtsrechnungen geben dem Familienforscher zwar nicht die kompletten Familien, aber sie sagen aus, wieviele Familien gleichen Namens in dieser Zeit existierten. Wenn also aus den Kirchenbüchern nicht ersichtlich ist, ob es 2 oder 3 Familien Willhöft gab und in welchen Dörfern sie wohnten, erfahren wir es hier. Da ein Sohn oftmals nach seiner Trauung den Hof übernahm, könnte ein Namenswechsel auf ein Traudatum hinweisen. Die Erwähnung einer Witwe Meyer läßt nicht nur das Ableben ihres Mannes erkennen, sondern auch, daß unter ihren Kindern noch keiner den Hof übernehmen konnte. Ist der Hof dann kurze Zeit bei Schulze, dann wieder bei Meyer, hat ein Stiefvater inzwischen die Pacht gezahlt.

Interessante Sondersteuern

Bei der Kopfsteuer (1718-1720 gefunden) ist erwähnt, ob Frau und Kinder da sind, wobei nur für maximal 3 Kinder zu zahlen war, auch wenn es 6 Kinder im Haus gab. Interessant : wenn die Person völlig verarmt war, wurde unter Angabe der genaueren Umstände auf die Steuer verzichtet !
Beispiele : "Hans Ruge, Delingsdorff, Weber, Frauw, hat kürtzlich allererst geheyrathet und keine Dienstbothen, verdient auch nur gar wenig."
"Marx Sahlmann, (Tremsbüttel-)Vorburg, Schuster, Frauw, 2 Kinder. Brauchet sein Handwerck womit er nur doch gar wenig verdienen könne, nicht mehr, sondern hütet der Schaafe und Schweine."
Die Einnahmen werden mit dem Vorjahr verglichen :
"Marx Ahlers, Weber, ist mit Frauw und Kindern von Vorburg nach Barteheyde gezogen und daselbst aufgeführet worden."
"Davied Möller, Zimmermann, Frauw, 2 Kinder. Ist neulich zuerst in Fischbegk gekommen, aber gantz arm."

Die Vermögenden zahlten keine Kopfsteuer, sondern eine Kriegssteuer, die sich nach ihrem Vermögen richtete. Die Höhe des Vermögens ist in der Abrechnung erwähnt.

Das Zuchthausgeld wurde zur Finanzierung des Zuchthauses in Neumünster erhoben. Es mußten diejenigen zahlen, die einen Lehrling einstellten, ein Testament machten oder sich trauen lassen wollten. Darüber hinaus mußte einmal jährlich in der Kirche eine "generale Collecte gesammlet werden", die beim Amt abzuliefern war.
Die Verordnung dazu wurde 1730 erlassen und 1766 erneuert, weil sie "dergestalt in Vergessenheit zu gerathen anfange, daß die darin für das Zuchthaus bestimmte Abgaben nicht durchgängig so genau beobachtet werden, als es Unsere allergerechteste Absicht mit sich bringet."

Für Familienforscher ist dabei wichtig, daß die Brautleute auf dem Amt ihre Gebühr zahlten und dafür eine Quittung ("Consens") zur Vorlage beim Pastor erhielten.
Die Einnahme dieser Gelder hat der Amtsschreiber in einem Büchlein festgehalten. Mir liegen Kopien der Jahre 1746 bis 1771 vor (LA Schleswig, Amt Tremsbüttel, Abt. 111 Nr. 614). Es wurde dabei, zumindest in den ersten Jahren, fein säuberlich notiert, wer die Brautleute waren :
"1746 den 28 ten Martt. Der alte Heinrich Cronn mit Margaretha Ridertsche"
"1746 den 29ten May. Hinrich Gaicken Tochter zu Fischbeck Margaretha Magdalena mit dem Tischler zu Bergstedt Hanß Peter Dehn"
"1746 den 1ten Oct. Jürgen Ehlers aus Delingsdorff mit seiner Braut Catharina Margretha Sahlmann aus Bartheil (= Bargteheide)"
Quartalsweise wurde das Geld abgerechnet und jährlich per Boten an das Zuchthaus weiter- geleitet. Nach und nach wurden die Eintragungen nachlässiger.
Beispiele vom 4.Quartal 1770 :
"Jacob Gercken aus Fischbeck" / "Hans Hinr. Reimers" / "Hans Geerdt"
Wenn wir hier zwar das genaue Datum und den Namen der Braut vermissen, so sind uns die Daten dennoch eine Freude, denn sie fallen teilweise in den Zeitraum von 12 Jahren (1760-1772), für den die Bargteheider KB verschollen sind.

Abgleich mit den Kirchenbüchern

Liest man nun bei der Trauung vom 13. Mai 1791 "Der Junggesell Hans Hinrich Dabelstein des Bödeners zu (Klein-)Hansdorf Christian Dabelstein und Margaretha geb. Heeks ehelicher Sohn mit der Jfr. Elisabeth Böttger, des Kleinkäthners zu Tremsbüttel und Anna Catharina geb. Gayk eheliche Tochter." , dann entnehmen wir der Akte "Zuchthausgeld" dazu die Angaben
"1761 den 10ten Oct. Christoph Dabelstein aus Vorburg mit Anna Margaretha Hecks aus Kleinhansdorff" und
"1761 den 17ten Oct. Hinrich Bötger aus Stubben (Ksp. Eichede) mit Anna Catharina Gaicken aus Vorburg"
wobei die Trauung der Eltern etwa 1-2 Wochen nach der Bezahlung der Gebühr und die Geburt der Kinder bei 1761-1770 angesetzt werden kann.
Wir wissen zwar noch nicht, ob Hans Hinrich's Vater nun Christian oder Christoph hieß, aber wir erfahren, daß Elisabeth's Vater Hinrich hieß und aus Stubben stammte.
Auf diese Art könnte die Lücke in den Kirchenbüchern wieder aufgefüllt werden, diese Arbeit ist noch nicht abgeschlossen.
Interessant ist ferner ein Vergleich mit den vorhandenen KB, denn in der Amtsakte ist oft ein Witwen-/Witwerstand erwähnt oder der Wohnort bzw. Herkunftsort, der in Kirchenbüchern vor 1772 meistens unerwähnt bleibt.

Kirchenrechnungsbücher

Auch die Pastoren waren zur Buchhaltung verpflichtet, bei Kirchenvisitationen wurden die Bücher geprüft. Kirchenrechnungsbücher sind den Familienforschern normalerweise nicht zugänglich, allgemein gesehen kann man auch nur wenig damit anfangen. Aber für Zeiträume, für die keine Kirchenbücher mit Taufen, Trauungen, Beerdigungen vorliegen, ist man für jeden kleinen Hinweis dankbar.

Das vorliegende Kirchenrechnungsbuch (KRB) beginnt 1642, sogar mit einzelnen Hinweisen aus 1625 bis 1640, die eigentlichen Kirchenbücher (KB) beginnen erst 1677.
Die Kirche verfügte über 2 "Leichenlaken", eines für Erwachsene und eines für Kinder, die beim Beerdigungsgottesdienst über die Toten gelegt wurden. Dafür war eine Gebühr von 8 bzw. 4 Schilling zu entrichten. Die Bestattung in der Kirche oder auf dem Friedhof war ebenfalls gebührenpflichtig, ebenso das Läuten der Glocken. Wir lesen also :
1643 Einnahme wegen des Leichlakens
"Peter Filter Frauwen Mutter / Hein Hohn / Marx Khrons Kinde / der Fr. Ambtmännin ihre Magd / Hans Fischers Frauwen / Johan Kochs Tochter / Barthold Ditmer / Marx Ahlers ..." Im Vergleich mit den Amtsrechnungen von 1650 sehen wir, daß
Peter Filter, Bödner in Bargteheide, verheiratet war, ebenso Hans Fischer aus Hammoor. Marx Krohn, Halbhufner in Bargteheide, hatte kleine Kinder, ist damit identisch mit dem Marx Krohn aus Bargteheide, der 1641 in Ahrensburg heiratete, usw.

Leider wurden oft die Einnahmen des Jahres in einem Betrag zusammengefaßt, oder man liest 1662 : "Elsbe Bär (=Behn/Behrens?) für 3 Leich in der Kirche begraben : 50 Mark" In den Amtsrechnungen 1674 und 1690 auch "Ilsebe Behn/Beren" genannt, taucht sie unter den Bargteheider Bödnern auf. Ferner wohnt Peter Filter "bei Elsbe", offenbar als Knecht. Im KB wird sie erst 1702 erwähnt, sie wird im Alter von 82 Jahren beerdigt. Es liegt die Vermutung nahe, daß sie im Alter von 43 Jahren ihren Mann und ihre Kinder beerdigen mußte und seitdem alleinstehend war, so bekannt, daß "bei Elsbe" zur Adresse wurde.

Für die Jahre 1715-1717 sind im KB keine Beerdingungen eingetragen, warum auch immer. Auch hier hilft das KRB :
1717 "vor (= für) des Müllers Hanß Kopmanns begräbnis in der Kirchen : 20 Mark" Der Kirche gehörte soviel Land, daß es teilweise verpachtet wurde. Die Pachteinnahmen mußten 1643 nachträglich verbucht werden. Beispiel :
"Hans Schacht zum Delenstorff für 10 Jahr jedes Jahr 6 Sch. = 3 M. 12 Sch." Das bedeutet für uns ein Name und ein Ort per Datum 1634, weit vor den KB. Da er dann schon Land bewirtschaftete, wird er etwa zwischen 25 und 50 Jahren alt gewesen sein.

1650 Einnahme wegen Leichlaken : "Hans Schachts Sohn zum Delenstorff , 8 Sch."
Da der Sohn 1650 unverheiratet war, starb er etwa im Alter von 10-25 Jahren. Demnach : Hans Schacht, Delingsdorf, * etwa 1600 , verh. etwa 1630.
An anderer Stelle steht, daß Marx Schacht irgendwann sein Erbe übernommen hat. Marx Frau Gesche stirbt 1691 im Alter von 89 Jahren, ist also geboren (errechnet) 1602. Damit ist zu vermuten, daß Marx im gleichen Alter war und nicht der Sohn von Hans, sondern eher sein Bruder. Kommen nun noch Daten aus Amtsrechnungen hinzu, wird die Sache noch genauer.

Weitere Quellen für Familienfoscher

Diese Ausführungen sollen nur Beispiele dafür sein, wie die Informationen aus Kirchenbüchern sich durch andere Unterlagen vergleichen und ergänzen lassen. Es gäbe noch eine Reihe weiterer Unterlagen wie etwa Schuld- und Pfandprotokolle, Gerichtsakten usw. usw.
(siehe das Buch von Ribbe / Henning : "Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung").

Hier zum Abschluß noch ein Zitat aus anderen Amtsakten, zwei "Erdbüchern" (Grundbücher) :
Erdbuch 1766 : "... Hinrich Furmann, dessen Vater war Marcus Furmann, und der Stiefvater Jacob Schmidt, dessen Vorweser Hinrich Poelsen".
Erdbuch 1692 : "Henrich Poels auf Henrich Stoffers Erbe, hat 5 Dirnens"
Damit ist eine Besitzerfolge von 4 Generationen nachgewiesen.


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